Begleitet von Personenschützern kommt Franziska Giffey zu einem Termin.
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Interview - Strafrechtler: Härtere Strafen verhindern selten Taten

Der Angriff auf Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag ist der jüngste von mehreren Angriffen auf Politikerinnen und Politiker. Die Innenminister von Bund und Ländern wollen, dass die Strafen bei solchen Taten verschärft werden. Strafrechtler Lucian Krawczyk ist allerdings skeptisch.

In Dresden, in Essen und nun auch in Berlin hat es innerhalb von nur einer Woche mehrere Angriffe auf Politikerinnen und Politiker gegeben. Angesichts der gehäuften Fälle werden Rufe nach härteren Strafen laut. Auch die Innenministerinnen und -minister der Länder forderten das bei ihrer Sondersitzung. Lucian Krawczyk, Professor für Strafrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, sagt allerdings: Das Kalkül, dass Opfer dadurch besser geschützt würden, gehe nicht auf.

Die Hoffnung, dass potenzielle Täter durch die Androhung harter Strafen von Angriffen absehen, "ist doch oftmals unbegründet", sagt der Experte. Er ist vielmehr davon überzeugt, dass die bestehenden Möglichkeiten des Strafrechts ausreichten. Bis zu zehn Jahre Haft seien bei einer gefährlichen Körperverletzung möglich. "Da sehe ich jetzt nicht die Notwendigkeit, neue Strafgesetze einzuführen oder die bestehenden Strafgesetze zu verschärfen." Es sei auch nicht sinnvoll, Angriffe auf Mandatsträger gesondert zu behandeln.

Strafrechtler: "Gründlichkeit vor Schnelligkeit"

 

Skeptisch ist Krawczyk auch gegenüber dem Vorschlag, Strafen schneller zu vollziehen. Auf den ersten Blick klinge das zwar plausibel. Doch Überzeugungstäter würden sich davon nicht beeindrucken lassen. "Und generell finde ich es problematisch, dieser Ruf nach schnellen Sanktionen, weil bei der Schnelligkeit geht die Gründlichkeit und auch die Fairness des Verfahrens so ein bisschen unter."

Im Strafrecht solle gelten: "Gründlichkeit vor Schnelligkeit", sagt der Berliner Professor. Die aufgheizte Stimmung könne nicht mit den Mitteln des Strafrechts abgekühlt werden.

Hintergrund

Angriff auf Giffey: Verdächtiger in Psychiatrie eingewiesen

Nach dem Angriff auf Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) ist der Tatverdächtige in die Psychiatrie eingewiesen worden. Das gab am Abend die Generalstaatsanwaltschaft Berlin im Onlinedienst X bekannt.

Der 74-Jährige war am Mittwoch identifiziert worden. Gegen ihn lägen bereits "polizeiliche Erkenntnisse aus dem Bereich des Staatsschutzes und der Hasskriminalität" vor, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Außerdem gebe es Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung.

Bei seiner Attacke soll der Angreifer nach Angaben der SPD-Politikerin auch gesprochen haben. "Er hat etwas gesagt", sagte Giffey am Mittwoch am Rande eines Termins vor Journalisten. "Aber die Polizei hat mich gebeten, aus ermittlungstaktischen Gründen nicht zu sagen, was er gesagt hat."

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat den Angriff auf Giffey verurteilt: Wer Politikerinnen und Politiker angreife, greife die Demokratie an, betonte er. Dies werde man nicht hinnehmen. Ähnlich äußerten sich die SPD- und die Grünen-Fraktion im Abgeordetenhaus.

Giffey selbst erklärte, sie wolle ihre Arbeit "unbeirrt" fortsetzen. Jede und jeder dürfe und könne hierzulande seine Meinung frei äußern. Eine klare Grenze sei aber Gewalt gegen Menschen, die eine andere Auffassung vertreten.

Giffey war am Dienstag in einer Neuköllner Bibliothek attackiert worden: Der Tatverdächtige schleuderte ihr nach Polizeiangaben von hinten einen hart gefüllten Beutel gegen Kopf und Nacken. Giffey wurde leicht verletzt in einem Krankenhaus behandelt.

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