Interview - Psychologin: Kinder von Suchtkranken fühlen Schuld, Scham und Einsamkeit
Rund drei Millionen Kinder in Deutschland wachsen mit einem suchtkranken Elternteil auf. Die Psychologin Silke Wiegand-Grefe erklärt, welche Auswirkungen die Erkrankungen auf die Kinder haben und was ihnen helfen kann.
Kinder aus suchtbelasteten Familien wachsen nicht unter gesunden, unbeschwerten Verhältnissen auf, erklärt Silke Wiegand-Grefe. Die Professorin für Klinische Psychologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf gehört zu den bundesweit wenigen Forschenden, die sich mit Kindern aus suchtbetroffenen Familien beschäftigen.
Vielen dieser Kinder gehe es sehr schlecht: "Sie schämen sich oftmals für ihre Eltern, für ihr Zuhause, sie leiden unter Schuldgefühlen." So fühlten sie sich zudem verantwortlich, wenn die Eltern im Zuge der Erkrankung unverständlich reagieren. "Viele Kinder sind einsam in ihrer Situation."
Psychologin: Mehr Suchterkrankte registriert als früher
Bei suchtbetroffenen Familien gebe es einerseits übergeordnete Themen, die die Kinder beschäftigen, dazu gehörten Schuldgefühle, Scham und Einsamkeit. Darüber hinaus gebe es auch individuelle Auswirkungen, die mit der spezifischen Sucht zusammenhängen, so Wiegand-Grefe. "Ein alkoholabhängiger Vater, der im Zuge des Alkohols sich anders verhält, vielleicht sogar gewalttätig wird, macht andere Gefühle und führt zu anderen Auswirkungen als eine Familie, wo die Mutter drogenabhängig ist, beispielsweise."
Inzwischen holten sich immer mehr Menschen Unterstützung, daher gebe es mehr registrierte Fälle als früher. "Es hilft, hinzuschauen", sagt die Expertin. Zudem seien professionelle Hilfen wichtig. Allerdings gebe es nur einzelne Projekte und Initiativen, aber noch keine Regelversorgung für Familien und Kinder von Suchterkrankten. "Die Regelversorgung ist ausschließlich auf den erkrankten Menschen fokussiert."
Psychologin: Hohes Risiko für Kinder aus suchtbetroffenen Familien für eigene Erkrankung
Das Erkrankungsrisiko für Kinder aus suchtbetroffenen Familien sei mehrfach erhöht. Etwa ein Drittel werde später selbst suchtkrank, ein Drittel entwickle andere psychische Erkrankungen und ein Drittel komme unbeschadet davon, so Wiegand-Grefe.